Riemenschnitter: China zwischen Himmel und Erde - Literarische Kosmographie und nationale Krise im 17. Jahrhundert

Aus den methodischen Perspektiven von Diskursanalyse, Ethnosoziologie und Interliterarizität erschließt die Arbeit topisch-generische Formationen der chinesischen Reiseliteratur des 17. Jahrhunderts. Ausgehend von frühen Überlieferungen kosmologischer Stiftung und Legitimation von Autorität wird vorrangig nach der historisch determinierten Ausgestaltung dieser kulturellen Archive, daneben aber auch nach kultur- und zeitübergreifenden Konstanten der kosmographischen Repräsentation gefragt. Im 17. Jahrhundert wird unter den Bedingungen extremer innerer und äußerer Bedrohung des chinesischen Universums (tianxia) das Problem von kultureller Identität in der Krise verhandelt. Bedeutende Repräsentanten der Literatenelite (Xu Xiake, Zhang Dai, Wang Siren u.a.) situieren sich als Kosmographen reisend und schreibend im Spannungsfeld zwischen Naturraum (Kosmos), historischer Erfahrung und den herrschenden Vergemeinschaftungsformen, um Wege aus dem Terror-Regime der mächtigen Ming-Eunuchen und der Verwüstung des Reichs durch die Manzhu-Kolonisatoren zu suchen. Europa, mit großen Gelehrten der Jesuitenmission (Matteo Ricci, Giulio Aleni) bereits in China präsent, findet in dieser unruhigen Zeit noch kaum Eingang in den kosmographischen Diskurs. Die Arbeit bemüht sich um ein Fundament für den Dialog zwischen chinesischen und westlichen Einstellungen zum Reisen.

Peter Lang

1998